Außer Betrieb
Wie der Kölner Künstler R.J.Kirsch den technischen Störfall als Inspirationsquelle nutzt.
Montagen
Die Welt ist durchsetzt von aufwendigen und intelligenten Funktionsabläufen.
Komplexe technische Funktion benötigen Anleitung.
Komplexer werdende technische
Funktionen benötigen komplexere Anleitungen.
Bedienungsanleitung erfordern viel Geduld,
schnell ist der Punkt einer Überforderung erreicht.
Unter dem Titel „How to use the world“ begann Rolf Kirsch Ende der 1980er Jahre Bedienungsanleitungen
systematisch zu sabotieren.
In unzähligen Montagen collagierte er die ohnehin verwirrenden Anleitungen zu subversiven
Grafiken, deren Richtigkeit oder Verfälschung für den Betrachter kaum noch zu unterscheiden war.
„Zusammenfügungen aus verschiedensten Gebrauchsanweisungen, die hier eine inhaltliche
Überdimensionierung zu einem Globalkomplex erfahren, den es zu handhaben gilt wie Dosenöffner:
Ethische Verantwortung muss vor der Unübersichtlichkeit kapitulieren.“ schrieb Jürgen Raap im
Kunstforum und in der Tat tragen Kirschs Collagen zur Verunklärung des allgemeinen Überblicks
ebenso bei wie sie hierüber auch einen gewissen Spot zelebrieren.
SOFT IMPACT
170 x 130 cm, Oil on canvas, 2014
Faltenwürfe
Ende der neunziger Jahre wendet sich seine Auseinandersetzung einem zentralen Bereich aktueller
Technik zu. Die Beschäftigung mit der modernen Mobilität und den unvermeidbaren Unfällen von
Fahrzeugen erfolgt in einer Serie von Ölskizzen seit 2002 im Gegensatz zum modernen Sujet auf
höchst traditionelle Weise. In zahlreichen kleinformatigen skizzenhaften Gemälden zeigt der
Maler in der Serie „Rhythmus der Statistik“ ein Panorama von Havarien.
Für die Malerei ein Thema mit großer Tradition wie ein Blick in die Kunstgeschichte schnell beweist.
Blech
30x30 cm, Dosenblech, 2014
Zu allen Zeiten waren Maler an der Inszenierung dramatischen Scheiterns interessiert,
als eines der berühmtesten Beispiele gilt das Gemälde „Das Eismeer“ besser bekannt
als „Die Gescheiterte Hoffnung“ von Caspar David Friedrich aus dem Jahr 1824.
Wo bereits die Serie von Ölskizzen in Sujet und Umsetzung auf die Tradition verweist,
verfolgen auch die folgenden Arbeiten den Rückbezug zur Geschichte der Malerei.
In seiner „Soft Impact“- Serie greift Kirsch das Motiv des Faltenwurfes auf und
inszeniert sein Unfallthema als Variation bzw. als dessen Fortsetzung.
Schattenwürfe
Die Auseinandersetzung mit dem immateriellen Bild war bereits in den neunziger Jahren einer der
Schwerpunkte in der künstlerischen Auseinandersetzung Rolf Kirschs.
Aus einer Reihe von experimentellen Arbeit, zum Teil auch im Rahmen der mitbegründeten Künstlergruppe EXPIMAT
entstanden immer wieder Konzepte, die sich mit dem Verhältnis von traditionellen und
technisch bedingten Bildmedien befassten. In der Arbeit NACHTSCHATTEN, die Kirsch im
Laufe der letzten Jahre konsequent weiterentwickelt hat, führt der Maler seinen kritischen
Diskurs über die reine Malerei hinaus: Aus der Thematisierung der Faltung als solcher folgt
hier in mehreren Schritten die Transformation des Bildträgers in den Raum.
Hierbei dient Kirsch die Faltung als das Prinzip, von der Fläche in die dritte Dimension
zu gelangen, von dem illusionistischen Bild also zur Skulptur. Die Projektion als
bilderzeugendes Verfahren, zuerst mittels der Verwendung von Sprühnebel umgesetzt,
fixiert zuvor verfaltete Bildträger in einem Wechsel von Licht- und Schattenpartien in
Analogie zu seinen Verfaltungsgemälden.
Requisit #8
30 x 30 x 30 cm
versch. Materialien, Heißkleber, 2014
Wieder flachgepresst geben die Spuren der Benebelung ein gleichsam dreidimensionales Abbild der ursprünglichen Verformung wieder.
In weiteren darauf folgenden reliefartigen Arbeiten, bleibt die Faltung als solche bestehen,
wird also nicht mehr geplättet, sondern betont den plastischen Charakter der Verformung.
Sowohl der Schritt in die dritte Dimension als auch die Verwendung der Projektion als
Arbeitsprinzip findet dann in der weiteren Entwicklung seines Ansatzes eine Fortführung
in der Fertigung von assemblage-artigen Skulpturen, die der Künstler selbst „Requisiten“ nennt.
Die aus allerlei Fundstücken mittels Heißkleber zusammengesetzten Objekte sind die letzte
Konsequenz in der Auflösung des rein illusionistischen Bildes hin zu einer material-orientierten
raumbezogenen Arbeitsweise. Gleichzeitig realisiert Kirsch hier mit der Verwendung und Montage
fragmentierter Technik seinen Ansatz, technische Störungen, die Fragmentierung
von technischem Gerät als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit zu nutzen.
Störungen
Die grundsätzliche Auseinandersetzung mit Technik an sich stellt neben der Diskussion der Materialität von Bildern vor allem das Thema Störung technischer Abläufe in den Mittelpunkt.
Störung als inhärentes Moment jeder Technik, das geradezu zwangsläufig über kurz oder lang Wirkung zeigt,
aber auch als Moment künstlerischer Vorgehensweise, um Technik an den Grenzen ihrer eigenen
Funktionalität bloßzustellen.
RHYTHMUS DER STATISTIK
25 x 35 cm
Oil on wood
2013
SCHEMEN
Schattenprojektion
PASSAGEN Köln / Haus am Maarweg, 2020
250 x 500 cm
versch. Materialien, LED